Blick auf das Jahr 2021 und die aktuelle Lage

BLICK AUF DAS JAHR 2021 UND DIE AKTUELLE LAGE

Januar 2022: Wir alle können nicht einschätzen, wie es mit den Taliban an der Macht weitergeht. Alle Menschen vor Ort haben Angst vor der Zukunft. Aber wir können eines sagen: Unsere Einrichtungen können weiterarbeiten, und sie sind jetzt wichtiger denn je.

80.000 Patienten und Patientinnen haben in diesem Jahr unsere Kliniken besucht, und ihre Zahl wird sicherlich 2022 steigen, da im Land nur wenige Kliniken im Betrieb sind. Rund 400 Schülerinnen konnten wir betreuen und weiterbilden.

Wir können also weiterarbeiten. An dem Tag, an dem die Taliban Kabul einnahmen, haben wir unsere Einrichtungen zunächst einmal geschlossen und das Personal zur eigenen Sicherheit nach Hause geschickt. Das war der einzige Tag, an dem die Kliniktüren geschlossen blieben. Danach haben die Kolleg*innen vor Ort die Arbeit wieder aufgenommen. Denn das ist unser Auftrag, wir sind angetreten, um humanitäre Hilfe zu leisten. Wir beziehen politisch und religiös keine Position, Wir wollen helfen. Besonders in der aktuellen Situation, denn viele Hilfsorganisationen haben sich aktuell aus Afghanistan zurückgezogen. Wir haben daher viel mehr zu tun als je zuvor – neben dem normalen Alltagsgeschäft. So kamen in den ersten unruhigen Tagen unter den neuen Herrschern viele (Binnen-)Flüchtlinge zu uns, sie waren mit ihren Kräften am Ende, dehydriert, wir konnten sie mit Infusionen stabilisieren und Medikamente für weitere Menschen mitgegeben.

Wir können unsere Arbeit aktuell also problemlos weiterführen. Dazu eine kleine Geschichte: Ein paar Tage nach der Machtübernahme kam ein Polizeichef der Taliban in unsere Klinik, um sie zu inspizieren. Er erinnerte sich, als Kind hier versorgt worden zu sein. Er hat unsere Einrichtung gut in Erinnerung. Die Taliban respektieren unsere Projekte. Die Geschäftsführerin unserer Projekte Nadera Ibrahimi, mit der wir nahezu täglich in telefonischem Kontakt stehen, berichtet ein mal im Monat im Gesundheitsministerium in der Sitzung der Krankenhausleiter*innen über die Arbeit. Sie ist eine sehr mutige Frau – eine von zweien in dieser Runde. Sie hat erfolgreich das Ansinnen der Taliban abgewehrt, deren Flagge über den Kliniken zu hissen. Sie hat durchgesetzt, dass die Taliban nicht bewaffnet in die Kliniken kommen, weil das natürlich Angst auslöst. Die Kliniken sollen ein Ort der Hilfe, nicht der Angst sein. In der aktuellen Finanzlage – die Banken haben geschlossen – kommen auch viele mittlerweile mittellose Menschen zu uns. Auch Taliban sind darunter.